Von Think Tanks und Anlauffabriken

AUSGABE 07/08 | 2017

Vor ca. 10 Jahren hatte ich das Glück, im Rahmen eines Kongresses in der Schweiz an einer direkten Befragung zur Zukunft und den Schwerpunkten der Westeuropäischen Länder teilnehmen zu können. Vorweggegangen sind zahleiche Vorträge zu den Entwicklungen und Trends in China und Indien, und damals war v.a. China das Land der Billig- und Massenproduktion. Es wurde die Frage gestellt, womit in der Zukunft in Westeuropa Geld verdient wird. Die zahlreichen Teilnehmer des internationalen Kongresses waren sich zu 75 % einig, dass v.a. die der DACH-Region für Vorentwicklungen und hochautomatisierten Fertigungen stehen wird, nicht aber für Massenproduktionen und Standards.

Nun, ganz falsch hat man damals gar nicht gelegen. In Deutschland entstehen an den Hochschulen wie der RWTH Aachen, der TUM (München) oder auch an der TU Chemnitz Infrastrukturen, die die Industrie einladen, direkt mit den Hochschulen Entwicklungen voranzutreiben und in ihren Produkten umzusetzen. Die beteiligten Unternehmen teilen sich mit Hochschulinstituten Ressourcen, nutzen Synergieeffekte, tauschen ihr Wissen direkt vor Ort aus und arbeiten gemeinsam an zukunftsfähigen Innovationen. In Aachen spricht man heute von ca. 280 Unternehmen (vom Start-Up bis zum Großkonzern), die dieses Angebot nutzen und auch Räumlichkeiten in unterschiedlicher Ausprägung vor Ort aufbauen.

Vor 10 Jahren war von Industrie 4.0 noch nicht die Rede. Auch wenn das Schlagwort vielleicht für viele Technologietrends steht, die auch in der Vergangenheit bereits lediglich unter anderem Namen existierten. So hat das Schlagwort doch dazu geführt, dass sich die Unternehmen intensiver als je zuvor mit der Vernetzung von Maschinen und Prozessen auseinandersetzen. Ein regelrechter Hype hat eingesetzt, was man an der Anzahl an Tagungen und Seminaren, ja sogar bereits Studiengängen und Qulifizierungsmaßnahmen sehen kann.

Begriffe wie die „Speed-Factory“, der Kooperation von adidas mit Oechsler in Ansbach, zeigen den Trend, dass auch in Deutschland noch oder wieder produziert werden kann. Hier werden komplexe Turnschuhe automatisiert hergestellt. Während von der Bestellung bis zur Lieferung beim Kunden in die Geschäfte aus China heraus auch aufgrund langer Wege bis zu 3 Monate vergehen, soll hier ein Sportschuh in nur 5 Stunden hergestellt und geliefert werden. – Von der überwiegenden Handarbeit in China zur High-Tech-Produktion in Deutschland. Und, ist die Idee erfolgreich, so werden sicherlich ähnliche Fabriken weltweit einfach dupliziert.

Ganz ähnlich arbeitet die Firma Krallmann in Herford, die mit Ihren sogen. Anlauffabriken, ihren Kunden – v.a. Spritzgießunternehmen – einen Teil des Prozesses abnimmt: Von der Anforderung an das Produkt über den Aufbau von automatisierten und verketteten Produktionsanlagen bis hin zur ersten Serie werden die Anlagen in Herford betrieben und „Kinderkrankheiten“ ausgemerzt. Dann wird die Anlage zum Kunden verlagert, der sich „nur“ um seinen Serienprozess kümmern muss.

Es gibt zahlreiche andere positive Beispiele, auch natürlich in anderen Industriezweigen, die deutlich machen wie aus guten Ideen und dem „Andersmachen“ auch zukünftig westeuropäische Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich sein werden. Einen großen Beitrag leisten hierzu die additiven Verfahren – auch eine Technologie, die schon vor über 25 Jahren entwickelt wurde und heute ihren sichtbaren Durchbruch erlangt. – Individualität und bedarfsgerechte Kleinserie vor Massenproduktion ist eine große Chance.

Dr. Arno Rogalla ist Autor der monatlich erscheinenden Kolumne im K-Profi

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