Nachwachsende Verpackungen: Bitte neutral bewerten

AUSGABE 11-12 | 2020

Verbote durch die neue Verpackungsverordnung und das Verbot von Einwegprodukten wie Trinkhalmen, To-Go-Bechern und Besteck führen aktuell zur einer intensiven Suche nach Alternativen. In den Markt kommen teilweise sehr ästhetische Produkte, aber auch solche, die man nicht wirklich verwenden möchte. Besucht man die bekannten Fast-Food-Ketten, Hauptproduzenten des sichtbaren Abfalls in der Umwelt, so werden bereits Holz-Bestecke und Papier-Trinkhalme eingesetzt. Doch die Akzeptanz in den konkreten Fällen ist begrenzt. Bezogen auf das Holzbesteck hat mir ein nett formulierender Nutzer gesagt, dass er das Besteck nicht ablehnt, es aber einfach „anders“ findet. Die Suche nach wirtschaftlich sinnvollem und komfortablem Ersatz läuft weiter.

Polyolefine auf Basis nachwachsender Rohstoffe sind schon lange auf dem Markt. Vor allem das brasilianische Unternehmen Braskem hat sich hier einen Namen gemacht und bietet Rohstoffe an, die aus Zuckerrohr gewonnen werden. Essensschalen aus Blättern des Eukalyptusbaumes oder auch vom Palmbaum werden angeboten, Trinkhalme aus Reis, Kunststoffbeutel aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais- und Kartoffelstärke oder Zuckerrüben sind ebenfalls in der Zwischenzeit auf dem Markt erhältlich. Interessanterweise bieten auch die Meere mit Algen Ressourcen an, die genutzt werden könnten.

Die Abfallentsorgung der Produkte ist allerdings im Moment noch nicht hinlänglich gelöst. Gehört eine Tüte aus „nachwachsenden Rohstoffen“ in den Biomüll oder in der Gelben Sack?! Wie lange benötigt eine solche Tüte, bis sie kompostiert ist?– Fragen, die sich die einfachen Verbraucher stellen. Fest steht, dass weder das eine noch das andere richtig ist. Eine PE-Tüte aus nachwachsendem Zuckerrohr bleibt eine PE-Tüte und gehört nicht auf den Kompost!

So banal das o.a. Beispiel ist, so kompliziert ist die Welt, wenn man sich nur intensiv damit auseinandersetzt. Die für Nahrungsmittelproduktion nutzbaren Flächen sind weltweit begrenzt. Aktuell werden sie allein in Deutschland bereits drastisch durch beispielsweise den intensiven Maisanbau für Biogasanlagen und für Solanlagenfelder reduziert. Wir alle wollen den Verbrauch an Palmöl reduzieren, um weitere Abholzungen von Regenwäldern z.B. in Malaysia und Indonesien zu begrenzen. Mit der Nutzung von Palmblättern für Verpackungsschalen wird hier der Flächenbedarf wiederum hochgetrieben. Für die Zuckerrohrfelder in Brasilien werden ebenfalls „neue Flächen geschaffen“. Die Flächenressource muss vor dem Hintergrund des Klimawandels extrem begrenzt werden. Logischerweise sollten die Ackerflächen zur Nahrungsproduktion genutzt werden, und wir sollten uns mit den vorhandenen Flächen zufriedengeben.

Ein weiterer Aspekt in dem Spiel um „natürliche“ Alternativen zum Kunststoff stellen die Herstellprozesse und die dort verwendeten Bindemittel dar. Sind diese in der Gesamtbilanz umweltverträglich? – Aus meiner Sicht müssen hier letztendlich schleunigst saubere und überprüfbare Studien her, die eine neutrale Bewertung der alternativen Verpackungen im Vergleich zu intelligent genutzten Verpackungen aus Kunststoff, Verbund und Glas zulassen. Der ökologische Gesamtfußabdruck muss als Bewertungskriterium herangezogen werden – und (leider) nicht allein unser Öko-Gefühl.

Dr. Arno Rogalla ist Autor der monatlich erscheinenden Kolumne im K-Profi

Sie finden meine Sichtweise interessant und haben vielleicht eine eigene Meinung?
Ich freue mich auf einen Austausch. Sprechen Sie mich gerne an.

Im Netzwerk teilen:

Share on xing
XING
Share on linkedin
LinkedIn
Share on email
Email
Share on print
Print
Scroll to Top