Fremdenfeindlichkeit als Standortnachteil

AUSGABE 01/02 | 2018

Es liegt mir fern, an dieser Stelle Statements zum Umgang der Politik mit Flüchtlingen und zu den Folgen daraus zu machen. In den letzten Wochen habe ich jedoch Erfahrungen gesammelt, die zumindest bemerkens-, vielleicht auch bedenkenswert sind, auch wenn sie mit dem Thema „Flüchtlinge“ nur indirekt zu tun haben. Drei Beispiele.

Gerade erst durfte ich an einer Konferenz in Leipzig teilnehmen. Dort lernte ich den Geschäftsführer eines IT-Start-Up kennen. Das Unternehmen ist eine Ausgründung der TU Dresden und auf das Management von Daten aus „Datenfriedhöfen“ spezialisiert, die aus unterschiedlichen Erfassungssystemen der Kunden generiert werden. Sein Team ist auf 20 Mitarbeiter geklettert und hat erhebliches Wachstumspotenzial. Leider kommt man aus Kapazitätsgründen mit der Bearbeitung der Aufträge nicht mehr hinterher. Er müsste zahlreiche zusätzliche Spezialisten einstellen, die er in Dresden einfach nicht mehr findet. Der Markt ist leergefegt. Auf meine Anregung, sich ggf. mit ausländischen Kräften speziell aus Indien zu verstärken, berichtete er mir, dass er bereits einen sehr guten Inder eingestellt habe, dieses Konzept aber so in der Region nicht weiterverfolgen möchte. Sein Mitarbeiter wurde mehrfach in Bus und Bahn angefeindet. „Ich habe mich ihm gegenüber ehrlich geschämt“, so der Geschäftsführer. Er denkt nun über den Wechsel an einen anderen Standort nach.

Eine ähnliche Erfahrung machte ein indischer Student, den ich ein wenig betreue. Er hat zunächst in Halle-Wittenberg und dann in Linz/Österreich studiert und steht kurz vor dem Abschluss. Auf meine Frage, wo er seine berufliche Heimat sucht, entgegnete er, dass er sich in Österreich nicht wohlfühlt. Dies läge nicht an den Studienbedingungen oder seinem akademischen Umfeld, sondern an einzelnen, ihn in der Öffentlichkeit anpöbelnden Menschen – gerade in öffentlichen Verkehrsmitteln. Und wenn er eine Heimat fern der Heimat suche, möchte er sich zumindest geborgen fühlen. In Halle-Wittenberg und dem angrenzenden Leipzig, das wie Dresden in Sachsen liegt, hat er sich durchaus sicher und frei gefühlt. Er sucht nun (ganz systematisch!) eine Stelle in einer geeigneten Region. Mit seiner Berufserfahrung möchte er in ca. fünf Jahren nach Indien zurückkehren, um dort seine Fähigkeiten eizubringen. Ja, er plant, vielleicht als Brücke zwischen dem deutschsprachigen Raum und Indien zu dienen. Ein Multiplikator in der Welt!

Auf der Suche nach einem neu aufzubauenden Innovations- und Entwicklungsstandort hat das Top-Management eines größeren chinesischen Technologie-Unternehmens auf einer Rundreise durch Deutschland gezielt die besten Universitäten besucht. Neben möglichen Anreizen war der „Wohlfühlfaktor“ ganz entscheidend. Man hat sich schweren Herzens gegen zwei wirklich exzellente und attraktive Standorte in Ostdeutschland entschieden. Auch hier zählten am Ende nicht der Wille, das Anreizsystem oder die Kompetenz der möglichen Projektpartner, sondern das Bedürfnis, sich als Asiaten „sicher“ und frei bewegen zu können.

In allen drei Fällen ist die pauschale und extrem emotionale Fremdenfeindlichkeit Einzelner zu einem nennenswerten Standortnachteil für ganze Regionen geworden. Wenn Unternehmer sich klar zur Sicherheit der eigenen ausländischen Mitarbeiter bekennen und gleichzeitig ihre Wachstumsziele und -potenziale verfolgen wollen, befördert dies gerade dort die wirtschaftliche Verarmung, wo Kreativität und Vielfalt besonders gefragt sein müssten. Jedes Unternehmen, das dort wegzieht, und jedes neue, das sich für einen anderen Standort entscheidet, fördert das Ungleichgewicht in Deutschland weiter. Das darf der Politik in ihrer großen Verantwortung für den Wirtschaftsstandort nicht egal sein.

Dr. Arno Rogalla ist Autor der monatlich erscheinenden Kolumne im K-Profi

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