Warum sind „die Chinesen“ schneller?
Gedanken zum Werkzeugbau zwischen Asien und Europa
Vor einigen Tagen sprach ich mit Kunden über deren aktuelle Auftragslage und Kundenanforderungen. Geschwindigkeit insbesondere bei der Erstellung der Spritzgießwerkzeuge spielt eine immer bedeutendere Rolle – sie ist oft wichtiger als der Preis für das Werkzeug.
Interessant ist, dass der Werkzeugpreis heute im Vergleich eher sekundär gesehen wird. Man hat verstanden, dass es nicht allein um den Preis für das Werkzeug geht, sondern dass die Kosten – insbesondere die Betreuungs- und Iterationskosten – mit in die Gesamtbilanz eingehen müssen und der scheinbare Kostenvorteil schnell verschwindet. Der Werkzeugeinkäufer eines größeren Automobilzulieferers hat mir verraten, dass er eine größere Anzahl Wiederholwerkzeuge zwar gern in China beschafft, aber immer dann, wenn es nur um ein oder zwei gleiche Neuwerkzeuge geht, doch auf die heimischen Lieferanten zurückgreift.
Interessanter als der Werkzeugpreis ist die Geschwindigkeit, in der die Werkzeuge in China hergestellt werden, und dass der Zeitvorteil trotz zusätzlicher Iteration und Transportzeit noch bis zum Endkunden weitergereicht werden kann: Warum sind die Chinesen schneller?
Die qualitativ guten Werkzeugbauer in China greifen in der Fertigung auf ähnliche oder gleiche Werkzeugmaschinen zurück wie ihre Wettbewerber aus Westeuropa. Rein von den Maschinenlaufzeiten in der Fertigung müssten die Europäer eigentlich noch einen Vorteil herausspielen, weil sie (wie sie meinen), die Maschinen und ihre Steuerung effizienter nutzen können. Auch sind gute europäische Werkzeugbauer sehr wohl in der Lage, durch Einsatz von Magazinen und auch Kameraüberwachung die Maschinen 24/7 zu nutzen. In diesem Fall sind übrigens auch die Maschinenbediener häufig sehr flexibel – geschickten Arbeitszeitmodellen und Teamgeist sei Dank. Die Einzelmaschine macht also den Unterschied nicht aus. In China wartet jedoch nicht eine oder zwei Maschinen auf den Auftrag, sondern einfach „genügend“. Es wird mehr als ausreichend Kapazität vorgehalten, auch auf die Gefahr hin, dass der Maschinennutzungsgrad gering ist. Die Aufträge laufen parallel bis auf das Einzelteil heruntergebrochen durch die Fertigung und nicht seriell, wie bei uns häufig üblich.
Der Vorteil des Parallelarbeitens beginnt schon in der Konstruktion. Während wir gewohnt sind, auf die nur wenigen guten Konstrukteure, ggf. auch Spezialkonstrukteure, zurückgreifen zu können und um deren Kapazitäten (mit Detailplanungen bis auf die Minute heruntergebrochen) ringen, greifen die Chinesen auf einen scheinbar unendlichen Pool an Konstrukteuren. Dass diese dann auch jeweils nicht durch begrenzte Arbeitszeiten oder an Wochenende eingeschränkt sind, ist uns allen bewusst. Wir kennen Werkzeugbauer in Shenzhen, die über mehrere hundert Konstrukteure verfügen, während die wenigen größeren in Deutschland auf max. 20 bis 30 zurückgreifen. Durch das parallele Arbeiten in dieser Phase ergeben sich extrem große Zeitvorteile auch bei zahlreichen Aufträgen gleichzeitig. – Übrigens muss man sich auch vom Gedanken verabschieden, dass nur ein Fachmann allein ein Werkzeug in Gänze durchdenken kann.
Die Zeiteffizienz in der Konstruktion lässt sich auf die Werkzeugmontage und Feinabstimmung am Ende der Kette übertragen. Auch hier werden die chinesischen Werkzeugbauer immer genug Kapazität vorhalten und auch im Drei-Schicht-Betrieb in sieben Tagen schneller sein als die Europäer. Gerade der letzte Punkt ist für Europäer heute fast indiskutabel. Zu angenehm ist die über viele Jahrzehnte erkämpfte Komfortzone. Um im globalen Wettbewerb der Aufträge mitspielen zu können, reicht das Innovationsargument allein einfach nicht mehr aus.
Lange Zeit wurde die schlechtere Qualität und Zuverlässigkeit der chinesischen Werkzeugbauer in Feld geführt. Über die letzten zehn Jahre hat sich auch dieses Argument vollkommen relativiert. Die Iterationsschleifen sind weniger geworden, und Termine werden gewöhnlich gehalten. Diese positiven Aussagen beziehen sich natürlich auf sorgsam ausgewählte und entwickelte Werkzeugbauer in China. – Unerfahrene Auftraggeber aus Europa können immer noch schlechte Erfahrungen sammeln. Dies passiert aber immer seltener.
Dr. Arno Rogalla ist Autor der monatlich erscheinenden Kolumne im K-Profi
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