Mittelmaß bringt Mittelmaß

AUSGABE 7-8 | 2022

Statt Stärken zu stärken und damit Bestmögliches aus Persönlichkeiten und auch Systemen herauszuholen, neigen wir dazu, immer wieder anzugleichen. Das spiegelt sich in der Schule, in Lehre und Forschungspolitik, aber letztendlich auch in der Industrie.

Wenn ein Kind sehr gut in Mathe und Physik ist, aber mittelmäßig in anderen Fächern, versucht man regelmäßig, das Kind durch Förderung in genau diesen Fächern „insgesamt“ auf ein höheres Niveau zu bringen. Das Ergebnis ist dann häufig, dass das Kind in den schlechteren Fächern minimal besser wird, aber eben in den vermeintlich starken Fächern auf ein mittleres Niveau abfällt, da man diesen „ohnehin“ laufenden Schwerpunkten keine Beachtung mehr schenkt. Damit wird Mittelmaß erzeugt, obwohl punktuell eine Spitzenleistung zu erwarten wäre.

In der Forschungspolitik passiert aktuell etwas Ähnliches. Einerseits versucht man, um nicht wichtige Wählerstimmen zu verlieren, Forschungsgelder gleichmäßig an alle Hochschulen zu verteilen. Das Geld für Forschung und Lehre wächst leider schon seit Jahren nicht proportional mit Bedürfnissen der (neu) entstehenden Hochschulen für angewandte Wissenschaften, Fachhochschulen, aber auch Hochschulinstituten. In der Folge werden alle gefördert, aber die Spitzen immer weniger. Und gerade in den Ingenieurwissenschaften wäre für eine nachhaltige anwendungsnahe Spitzenforschung wichtig, eher wenige ordentlich auszustatten.

Bei der Suche nach Geld finden sich in den letzten Monaten wiederum Stilblüten unserer Verwaltung. Das akribisch verfolgte, sogenannte „Besserstellungsverbot“ und „Wissenschaftsfreiheitsgesetz“ soll dazu führen, dass alle Wissenschaftler gleich gut (oder schlecht) bezahlt werden. Möchte man aber Spitzenkräfte bzw. -manager aus der Industrie für die Forschung und Lehre gewinnen, so wirkt die aufgezeigte Bezahlung absolut unattraktiv. Wenn die Regelungen konsequent durchgesetzt werden, wandern gute Fachkräfte von den Hochschulen ab bzw. werden gar nicht erst gewonnen. Gerade in der heutigen Zeit sollte jedem klar sein, dass wir diese Forschung und Netzwerke brauchen, um die Zukunfts- und Innovationsfähigkeit des Standortes Deutschland wieder zu erreichen.

Interessanterweise sind die staatlich stark geförderten Fraunhofer Institute und auch z.B. die Max-Planck-Gesellschaft nicht von dieser Gleichmacherei betroffen, die Einrichtungen der Zuse-Gemeinschaft und andere eher unabhängige aber sehr wohl. Ich bin der Meinung, dass man diesen kontraproduktiven Trend schnellstmöglich stoppen sollte, so dass sich alle Betroffenen nicht mit Verwaltungshürden und Bürokratie, sondern mit dem Erzielen von guten Forschungsergebnissen beschäftigen.

Immer neue Verordnungen und Regularien führen auch in der Industrie zu Lähmung. Wenn man sieht, wie viele Mitarbeitende sich in der heutigen Zeit nur noch damit beschäftigen, immer neue (zum Teil selbstgemachte) Regeln einzuhalten, sich und andere auf immer aufwändigere Audits und andere Kontrollen vorzubereiten, muss die Frage erlaubt sein, wem das am Ende nützt. Auch solche Routinen führen dazu, dass Spitzenkräfte keine Lust mehr haben, Neues vorzuschlagen und umzusetzen, wenn Innovation wegreguliert wird. In der Folge bleibt das austauschbare, unmotivierte Mittelmaß.

Dr. Arno Rogalla ist Autor der monatlich erscheinenden Kolumne im K-Profi

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