Sind wir nicht laut genug?

AUSGABE 10 | 2020
Das Branchenimage gehört aufpoliert

Mit 800 EUR/t nicht recyceltem Kunststoff-Verpackungsabfall, so der Vorschlag aus der EU, soll zukünftig Kunststoff radikal besteuert werden. Unsere Branchenverbände haben versucht, mit Sachargumenten und konstruktiven Gegenvorschlägen Gehör bei den Politikern zu finden. Leider erfolglos, denn es scheint weniger um die Steuerung von Kunststoffströmen und um ein nachhaltiges Lösungskonzept zu gehen, als um eine lukrative und nicht zweckgebundene Steuer zum Stopfen diverser Löcher im EU-Haushalt. Allein aus Deutschland käme so eine Summe von 1,3 Mrd. EUR zusammen.

Unsere Verbände bemühen sich um Sachargumente und vermeiden emotionale Diskussionen mit Politikern und auch der breiten Bevölkerung. Leider führt dieses für mich durchaus sympathische und nachvollziehbare Vorgehen nicht zum Erfolg. In unseren Branchenblättern können wir Insider immer wieder frustrierende Berichte und Zusammenfassungen zum Verlauf von Gesprächen mit Politikern lesen. Wir haben alle Sachinformationen der Welt, um in Fachdiskussionen einsteigen und zu überzeugen. Ich fürchte aber, dass dies lediglich in unser eingeschworen Community wahrgenommen wird, nicht aber von der „Welt da draußen“. Was machen andere anders?

Wenn unsere Landwirte mit Neuerungen „belästigt“ werden, die nicht Subvention, sondern radikale Veränderung heißen, so ziehen sie mit ihren Traktoren in die Städte und blockieren unser aller Leben. Sie erlangen sofort die Aufmerksamkeit der Politiker und setzen Zugeständnisse durch, von denen wir nur träumen können. Ökoaktivisten machen auf die Kunststoff-Müllströme und auch unsere Müllexporte aufmerksam, indem sie Parlamentszugänge mit Gelben Säcken zukippen. Die dringend notwendige Diskussion entbrennt, und die mediale Aufmerksamkeit ist da. Wenn unsere Automobil-, Luftfahrt-, oder auch Schiffbauindustrie Probleme hat, werden stornierte Aufträge publiziert und vorgerechnet, wie viele Arbeitsplätze in Gefahr sind. Wo bleibt die mediale Präsenz unserer Branche?

Zugegeben, wir können nicht einfach Straßen blockieren oder Kunststoffberge vor Parlamente werfen. Damit würden wir das Gegenteil von dem erreichen, was wir wollen. Um aber die Akzeptanz für Kunststoff und sein Image aufzupolieren, bedarf es starker medialer Präsenz. Immer wieder müssten wir unserer Bevölkerung und den Politikern vor Augen führen, wie viele Lebensmittel ohne Kunststoff weggeworfen würden, wie viel mehr Flugzeuge oder Autos ohne Kunststoff-Leichtbau an Energie verbrauchen würden, dass unser ganzes Leben durch Kunststoffe begleitet und verschönert wird. Wie würde man Corona ohne Kunststoffe entgegentreten? Wie ohne Masken, Kunststoff-Einmalpipetten, -gefäße oder andere Verbrauchsmaterialien?

Wir lassen zu, dass fachfremde Studenten, beispielsweise der Architektur, Konzepte zur Reinigung der Meere von Kunststoffmüll publizieren, ohne dass wir selbst Lösungen präsentieren. Diese Initiativen haben sogar Sponsoren gefunden, um die ersten Schritte in Richtung Umsetzung zu gehen.

Mit einem positiven Image lassen sich Türen leichter öffnen als mit dem aktuellen „Kellerkind“ Kunststoff. Erfolgsstories bezogen auf das Recycling und auch den Sinn der thermischen Verwertung am Ort des Geschehens (also: z.B. Deutschland) müssen viel präsenter werden . Gute und begeisternde Berichte müssen regelmäßig in unseren Wirtschafts- und Tageszeitungen erscheinen, nicht nur in unseren Fachblättern und Verbandszeitungen; mehr allgemein verständliche Publikationen in den anderen modernen Medien. Dies ist Lobbyarbeit, bei der wir allerdings aufpassen müssen, dass sie nicht wiederum für die Interessen einzelner missbraucht wird. Wir müssen (leider) viel lauter werden!

Dr. Arno Rogalla ist Autor der monatlich erscheinenden Kolumne im K-Profi

Sie finden meine Sichtweise interessant und haben vielleicht eine eigene Meinung?
Ich freue mich auf einen Austausch. Sprechen Sie mich gerne an.

Im Netzwerk teilen:

Share on xing
XING
Share on linkedin
LinkedIn
Share on email
Email
Share on print
Print
Scroll to Top