Mit Künstlicher Intelligenz zur gläsernen Fabrik?
Künstliche Intelligenz (KI) soll unser Arbeitsleben erleichtern, Prozesse sicherer und wirtschaftlicher machen. Wo liegen aber die Hemmnisse für den großen Durchbruch?
Sowohl in der Extrusion als auch im Spritzguss existieren zahlreiche Leitrechner- oder Fertigungsmanagementsysteme (MES), die uns helfen, Daten entlang der gesamten Herstellungskette zu sammeln, auszuwerten und zu nutzen. Die Einführung der Systeme erfordert ein für kleine und mittelständische Unternehmen sehr hohes Invest und auch leider eine ressourcenverschlingende Einführungsphase. Der Lohn der Mühe sind dann nutzbare Planungstools, ein sauberes Auftrags- und Bestandsmanagement, systematische Wartungs- und Servicetools, Kenntnisse der Prozesse und Einflussgrößen, vernetzte und bei Bedarf selbstoptimierende Maschinen sowie Qualitätssicherungssysteme – schlichtweg: eine transparente und lernende Fabrik. Richtig genutzt ist das ein hoher Wert.
Leider gibt es in der Praxis Hürden, die es gilt, aus dem Weg zu räumen. So sind z.B. die Schnittstellen zu bestehenden ERP-Systemen (scheinbar) immer noch nicht standardmäßig verfügbar, wie man dies erwarten würde, da die großen Systemanbieter (z.B. SAP, ProAlpha) gern ein „voll integriertes System aus einer Hand“ anbieten möchten, das zwar für Planung und Controlling hervorragend nutzbar, aber für unsere Produktionsbetriebe der Kunststoffverarbeitung nicht an jeder Stelle zielgerichtet ist. Die Programmierung von Schnittstellen zu brancheninternen Lösungen lässt man sich daher gern entlohnen.
Die Industrie-4.0-Gedanken haben die Anforderungen an MES-Systeme weiter gesteigert. (Anm.: Ein gut zusammengefasstes Nachschlagewerk hierzu ist die VDI-Richtlinie 5600 Blatt 7.) Unsere Maschinenhersteller bieten schon lange eigene Digitalisierungslösungen an oder kooperieren mit entsprechenden Softwarehäusern. Beispiele hierfür sind das ALS (Arburg), TIG (Engel), Wittmann 4.0 (Wittmann Battenfeld), aber auch Hydra (mpdv). Den damit verbundenen Cloud-Lösungen für die Produktion begegnen die potenziellen Kunden nach wie vor mit Skepsis. Eine volle Transparenz nach innen möchte jeder und seine eigenen Schlüsse daraus ziehen. Man möchte aber nicht, dass die gewonnen Daten Gefahr laufen, nach außen, an Mitbewerber oder gar zu Kunden kommen. Und somit bleiben die gesammelten Daten in der Regel im Haus. Die Schwarmintelligenz nimmt so nicht die bestmögliche Fahrt auf. Das Potenzial, von möglichst vielen Maschinen und Prozessen, aus zahlreichen Unternehmen alle möglichen Daten zu sammeln und hieraus Schlüsse zum Nutzen aller ziehen zu können, entwickelt sich nur sehr zögerlich.
Heute können so viele Daten aus allen möglichen Ecken der Produktion gezogen werden, dass eine Auswertung auf konventionellen Wegen nicht möglich ist. Es entstehen Datenfriedhöfe, und man stellt den Nutzen in Frage. Interessanterweise arbeiten hier gerade branchenfremde Softwarehäuser an Lösungen, die gesammelten Informationen mithilfe der KI auszuwerten, ohne dass es einer größeren Vorinstallation bedarf. Lediglich standardisierte Schnittstellen (v.a. OPC/UA) zu Maschinen oder anderen vorhandenen Systemen in der Fabrik sollen nötig sein, um nach einer gewissen Zeit des Anlernens der Systeme die relevanten Daten herauszulesen und zu nutzen. Vielleicht setzen sich diese dann einfachen und kostengünstigen Systeme schneller in der Breite durch, da ein wesentliches Hemmnis, das Invest, gering sein wird. Das Vertrauen der Kunden in den seriösen Umgang mit Daten müssen sich die Anbieter jedoch zunächst mühsam verdienen.
Dr. Arno Rogalla ist Autor der monatlich erscheinenden Kolumne im K-Profi
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