(Büro)Arbeitswelt im radikalen Wandel

AUSGABE 07-08 | 2020

14,5 Mio. der knapp 45 Mio. Erwerbstätigen arbeiten in Deutschland im Büro. Corona zwingt uns alle, bisherige Arbeitsweisen radikal zu verändern. Home-Office und Web-Conferencing wurden innerhalb weniger Wochen populär und zunehmend als Problemlösung, ja, als Alternative anerkannt.

Lange Jahre haben sich Forscher und auch Arbeitsgruppen in Unternehmen mit „Arbeitswelten der Zukunft“ auseinandergesetzt. Die Gestaltung der Arbeitsplätze, Interaktionen von Gruppen, Datensicherheit und -schutz, aber auch Führungsinstrumente für Vorgesetzte wurden hinlänglich diskutiert, Lösungen angeboten und sporadisch auch umgesetzt. Man hat sich aber lieber mit der Gestaltung moderner Büros beschäftigt als mit der effektiver Arbeitsplätze beim Mitarbeiter zu Hause. Die Akzeptanz des Home-Office war insbesondere bei Vorgesetzten verhältnismäßig gering. Selbst die Arbeitswelt von Google machte eher durch Wohlfühlangebote im Büro (Kantinen, Sportmöglichkeiten, Ruhebereiche, Kinderbetreuung, flexible Bürogestaltung) als durch pfiffige Lösungen des Arbeitens von zu Hause von sich reden.

Tools für Video-Konferenzen gibt es schon mindestens zwei Jahrzehnte. Viele Unternehmen haben Konferenzräume entsprechend ausgerüstet. Die Hoffnung, hierdurch das Reisen der Mitarbeiter zu reduzieren, hat sich im Allgemeinen nicht bestätigt. Was im eigenen Unternehmen mit mehreren Standorten noch ansatzweise funktionierte, scheiterte spätestens bei Video-Konferenzen mit Geschäftspartnern. Das Aufkommen an Geschäftsreisen ist bis 2019 absolut gestiegen, wenngleich der Anteil der Geschäftsfluggäste z.B. am Frankfurter Flughafen gesunken ist. Reisen zum Geschäftspartner und persönliche Besprechungen standen weiterhin hoch im Kurs.

Erst Corona hat uns zum radikalen Umdenken gezwungen. Innerhalb weniger Wochen wurde das Arbeiten von zu Hause aus von allen anerkannt, praktiziert und optimiert. Web-Konferenzen gehören zum Alltag und sind nichts Besonderes mehr. Viele Menschen empfinden die erzwungene „neue Arbeitswelt“ als angenehm, und auch die Unternehmen stellen fest, dass die Mitarbeiter im Durchschnitt effektiver arbeiten als sie dies vermutet hätten. Möglich war diese Umstellung nur, weil die notwendige Hard- und Software fertig entwickelt vorliegen. – Stellen Sie sich die gleiche Situation im Jahr 1990 vor: Es gab weder das Internet (ab 1991), geschweige denn Smart Phones (seit 2007).

Nach vorn wird sich die Arbeitswelt zu einem Kompromiss zwischen dem reinen Arbeiten von zu Hause und im Büro entwickeln. Die Arbeitszeiten werden flexibler, die notwendige Anreise zum Büroarbeitsplatz so gelegt, dass man nicht im Stau steht, und Dienstreisen werden konsequent reduziert. Wie häufig waren wir alle schon mehrere Stunden unterwegs, um an einer schlecht vorbereiteten Besprechung teilzunehmen, die am Ende nur eine Stunde gedauert hat?! Und hier hat sich schon einiges getan: Web-Konferenzen sind in der Regel besser vorbereitet als das persönliche Meeting, oder sie werden konsequent abgebrochen und neu angesetzt. – Ein Erziehungseffekt.

Die Konsequenzen aus dieser von Corona erzwungenen Umstellung reichen weiter: Büroflächen können eingespart werden , der Verkehr wird nachhaltig reduziert, die Zeit des Einzelnen besser genutzt, und die Zufriedenheit im Büro steigt, wenn alle Parteien mitspielen und die Win-Win-Situation erkennen. Vielleicht sehen wir sogar einen nachhaltigen Effekt auf unser Klima, wenn endlich der flächendeckende Ausbau des schnellen Internets zügig vorangetrieben wird.

Dr. Arno Rogalla ist Autor der monatlich erscheinenden Kolumne im K-Profi

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