Ist der Ruf erst ruiniert …

AUSGABE 5 | 2021

Deutschland war einmal für seine Ingenieurskunst und sein präzises Projektmanagement bekannt. In den letzten Jahren haben Großprojekte diesen Ruf erheblich ramponiert. Ein Beispiel ist das Prestigeprojekt, auf dessen Ergebnis die Hamburger heute stolz sind, die Elbphilharmonie, liebevoll Elfi genannt. Nach einer Bauzeit von ca. 3.500 Tagen, zahlreichen überarbeiteten Terminplänen, Pleiten von Bauträgern und Kosten in Höhe von 866 Mio. Euro wurde das architektonische Meisterwerk 2017 endlich eingeweiht. Die ursprüngliche Machbarkeitsstudie hatte Kosten in Höhe von 186 Mio. Euro ausgewiesen. 

Noch schlimmer traf es den Hauptstadtflughafen BER. Baubeginn war 2006, der erste Start von Flugzeugen für 2011 geplant. Letztendlich wurde der Flughafen 2020 in aller Demut und auch Corona-bedingt in aller Stille eingeweiht. Leider ist auch dies ein Beispiel von Pleiten, Pech und Pannen. Kosten von 7 statt 2 Mrd. Euro und über 11.000 Mängel, die durch den TÜV festgestellt wurden. Und wir wissen, dass Kapazität des Flughafens mit ca. 36 Mio. Passagieren jährlich eigentlich schon jetzt viel zu gering ist, wenn die Reisetätigkeit erst wieder anläuft. Missmanagement und staatliche Lenkung haben zu dieser Katastrophe geführt. Denn nicht erfahrene Unternehmen und Manager hatten die Oberaufsicht über dieses Projekt wie etwa beim Gegenbeispiel des Flughafens Franz Josef Strauß in München, sondern Politiker, die Top-Manager spielen wollten. Spitze war nebenbei auch unsere deutsche Presse, die nicht müde wurde, dieses Desaster immer wieder in die Welt zu tragen. Ein chinesischer Geschäftspartner machte mir 2018 im gerade neu eröffneten Flughafen von Guangzhou scherzhaft den Vorschlag, dass vielleicht ein chinesisches Team das Projekt zu Ende führen sollte. In China werden Flughäfen in Rekordzeit geplant und umgesetzt. – Sicherlich unter komplett anderen Randbedingungen und vor allem nicht für die Ewigkeit, aber doch funktionsfähig und auch architektonisch passabel, so dass man sich fragt, warum wir dies in Deutschland nicht hinbekommen.

Weitere Beispiele wie Stuttgart 21, der Hauptstadtbahnhof und die aktuellen, uns allen täglich vor Augen geführten Regierungsprojekte der Corona-Politik schädigen unseren Ruf in der Welt extrem. Ja, wir werden teils bedauert und teils belächelt. In der heutigen, medial geprägten Zeit kann kein Projekt mehr „leise“ verlaufen, und Fehler können nicht einfach korrigiert werden, ohne dass die Umstände in die Welt getragen werden.

Schlechte Projekte können wir in der Kunststoffbranche übrigens auch. Statt z.B. das seit Jahrzehnten vorhandene Know-how im Kunststoff-Recycling konsequent auszubauen, richtig zu steuern und als Leuchtturmprojekt in die Welt zu exportieren, lassen wir Müllexporte in die Welt zu und uns selbst von der Europäischen Kommission mit einer Verpackungsverordnung komplett überfahren.

Es wird wirklich Zeit, dass die Politik das Projektmanagement Profis überlässt. Im deutschen Mittelstand haben wir sehr viel positives Potenzial, um die Zukunft ordentlich zu gestalten, und mit dem, für das wir einmal standen, in der Welt wieder positiv aufzufallen. Durch präzises Projektmanagement, mutiges Unternehmertum und richtungsweisende Innovationen.

Dr. Arno Rogalla ist Autor der monatlich erscheinenden Kolumne im K-Profi

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