Der Wettlauf um Fachkräfte fordert

AUSGABE 11/12 | 2017

Während in der Politik immer noch über den anstehenden Fachkräftemangel debattiert wird, ist er bei v.a. kleinen und mittelständischen Unternehmen schon längst angekommen. Stellen für qualifizierte Fach- und Führungskräfte können über lange Zeit nicht besetzt und Azubis nicht gefunden werden. Und selbst bei Erfolg hält dieser nicht lange an, da sich die jungen Leute heute unter Arbeit etwas gänzlich anderes vorstellen als das die heute seit minimal 10 Jahre arbeitende Bevölkerung tut.

Nehmen wir als Beispiel die Stelle eines Einrichters in einem kleinem Spritzgießbetrieb mit ca. 100 Mitarbeitern, wie er heute in Deutschland weit verbreitet ist: Die dort tätigen Einrichter sind meist zwischen 35 und 50 Jahre alt. Jüngere Menschen finden das Berufsbild in der bestehenden Form (händische Arbeit, 3-Schicht-Betrieb, ggf. 7-Tage-Woche) nicht mehr final attraktiv, sondern streben nach der Ausbildung und vielleicht max. 5 Jahren ausüben des Berufes eher Gefallen an „Computerarbeitsplätzen“. Man qualifiziert sich weiter, was ja überaus begrüßenswert ist. In der Vergangenheit war die Quote derjenigen, die die nächsten Ausbildungsschritte gegangen sind, nur deutlich geringer. Somit sind genügend wirklich gute und qualifizierte Mitarbeiter für den Alltag übriggeblieben, und der tägliche Bedarf konnte abgedeckt werden. – Heute werden die notwendigen drei Schichten kaum mehr abgedeckt und diejenigen, die dann den Job machen, werden stark beansprucht, können sich einen Ausfall nicht erlauben bzw. der Betrieb wird immer abhängiger von wenigen gewissenhaften und guten.

Größere Betriebe können die Stellen in dem Beispiel des Einrichters als „Durchlauferhitzer“ und die guten Kunststoffformgeber sogar in gezielte Programme zur Weiterqualifizierung führen. Die Erfahrung und das Wissen bleiben im Haus und werden an anderer Stelle genutzt (z.B. als Anwendungstechniker). Derartige Programme können die kleineren Betrieben leider allein nicht anbieten.

Abgesehen vom scheinbar nicht mehr attraktiven Berufsbild existiert der Wettbewerb um die wenigen potentiellen Kandidaten. Die Unternehmen müssen sich immer mehr einfallen lassen, um überhaupt mit ihren zukünftigen potentiellen Mitarbeitern in Kontakt zu kommen. Bei großen Unternehmen geht es selbst bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen schon so weit, dass man zum „Kennenlernwochenende“ komplett sogar in Hotels eingeladen wird und sich natürlich möglichst von der besten Seite zeigt. Jobmessen, Zeitungsanzeigen und Internetauftritte reichen schon lange nicht mehr aus. Für die kleineren „No-Name-Firmen“ bleibt da wenig Platz oder man muss sich wieder etwas neues einfallen lassen. So gibt es schon nicht im Wettbewerb stehende pfiffige Unternehmensverbünde, die sich bei Schülern durch gezielte attraktive gemeinsame Ein-Tagesprogramme interessant machen. Kosten und Aufwand werden geteilt, und die Bewerber sehen eine Auswahl an unterschiedlichen potentiellen Arbeitgebern an einem Tag. Beide Seiten wissen dann, worauf sie sich einlassen.

Letztendlich müssen die Herausforderungen aber anders gelöst werden. Lange schon existierende „Assistenzsysteme“ zum Einrichten von Spritzgießmaschinen müssen gezielt eingesetzt und weiterentwickelt werden. Bestehende Daten aus vorausgehenden Prozessschritten (z.B. Füllsimulation) müssen konsequent für eine Ersteinstellung genutzt werden – Prozessschritte verbunden werden. Die Entwicklungen im Rahmen der Aktivitäten von Industrie 4.0 werden einen Beitrag dazu leisten, dass die deutschen Unternehmen zukunftsfähig bleiben. Das Berufsbild des Einrichters wird sich wandeln und die anstehende Arbeit auf das wesentliche, z.B. das Rüsten, fokussiert. Das anfahren und optimieren des Prozesses wird sicher von anderer Stelle aus möglich werden als direkt an der Maschine. Ich meine, dass es absolut lohnenswert ist, diesen Weg zu verfolgen und freue mich auf zukünftige Ergebnisse aus Forschungsvorhaben und Entwicklungen aus den Unternehmen. Die Digitalisierung wird – richtig eingesetzt – einen wesentlichen Beitrag leisten, diese Herausforderungen zu meistern. – Der Wettbewerb um die Menschen aber auch die Ideen läuft auf Hochtouren.

Dr. Arno Rogalla ist Autor der monatlich erscheinenden Kolumne im K-Profi

Sie finden meine Sichtweise interessant und haben vielleicht eine eigene Meinung?
Ich freue mich auf einen Austausch. Sprechen Sie mich gerne an.

Im Netzwerk teilen:

Share on xing
XING
Share on linkedin
LinkedIn
Share on email
Email
Share on print
Print
Scroll to Top